Adipositas Chirugie – Chancen und Risiken verschiedener Methoden

Angesichts von Nahrungsmittelüberfluss und Bewegungsamut wird Dicksein langsam zur neuen Norm: Bereits knapp über die Hälfte der Deutschen ist übergewichtig, stellt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung in ihrem 12. Ernährungsbericht fest. Besonders problematisch ist der hohe Anteil der adipösen, also stark übergewichtigen Männer und Frauen. Er beträgt in Deutschland momentan etwa 23%.

Adipositas hat ernste Folgen für die Gesundheit: Wer extrem übergewichtig ist, entwickelt Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettstoffwechsel-störungen und Arteriosklerose, Diabetes, Gicht und andere Stoffwechselleiden, ausgeprägten Gelenkverschleiß oder obstruktive Schlafapnoe. Auch die Psyche leidet – Übergewicht geht häufig mit geringem Selbstbewusstsein, Depressionen und sozialer Isolation einher.

Wer adipös ist, hatte meist schon sein Leben lang Übergewicht. In diesem Fall auf konservativem Wege – durch eine Änderung der Lebensgewohnheiten, durch Reduktionsdiäten und mehr Bewegung – Gewicht zu verlieren, erfordert enormes Durchhaltevermögen. In den meisten Fällen ist eine Gewichtsreduktion jedoch nicht von Dauer, was nicht allein auf Disziplinlosigkeit der Betroffenen zurückzuführen ist. Vielen Adipösen läuft außerdem die Zeit davon. Angesichts eines entgleisten Diabetes mit Folgeschäden oder einer bedrohlichen Kreislaufsymptomatik muss das extreme Übergewicht möglichst rasch reduziert werden. In solchen Fällen können chirurgische Methoden der Adipositas-Therapie Leben retten.

Methoden der Adipositas-Chirurgie

1. Der Magenballon

Eine temporäre Maßnahme zur Magenverkleinerung ist der Magenballon. Er kommt als Überbrückungslösung in Frage, wenn das Narkose- und Operationsrisiko für einen Patienten zunächst nicht tragbar erscheint. Der Magenballon wird in einer ambulanten Prozedur unter lokaler Betäubung endoskopisch über die Speiseröhre in den Magen gebracht und anschließend mit etwa einem halben Liter Kochsalzlösung gefüllt. Da der Magenballon den Magen zu großen Teilen ausfüllt, begrenzt er die Nahrungsmenge, die noch aufgenommen werden kann.

Ein Magenballon kann Völlegefühl und Übelkeit verursachen und erhöht das Risiko von Magengeschwüren. Mit der Zeit wird das Ballonmaterial von der Magensäure angegriffen. Da Reste eines geplatzten Ballons zu einem gefährlichen Darmverschluss führen können, muss der Magenballon spätestens nach einem halben Jahr wieder entfernt werden. Meist wird im Anschluss eine permanente operative Magenverkleinerung vorgenommen.

Bei sehr stark übergewichtigen Patienten ist der Magenballon weniger geeignet, da weiterhin alle Lebensmittel zugeführt werden können. Eine dauerhafte Ernährungsumstellung zu einer gesünderen Lebensweise ist so nur bedingt gewährleistet. Zudem sind sechs Monate ein zu kurzer Zeitraum für eine langfristige Umstellung der Essgewohnheiten.

2. Das Magenband

Ein Magenband ist ein Silikonschlauch, der in einer minimal invasiven Operation durch winzige Einschnitte in der Bauchwand um den Magen gelegt und von außen mit Flüssigkeit befüllt wird. Das Magenband schafft eine durch Regulation der Flüssigkeitsmenge verstellbare Verengung etwa in Höhe des ersten Drittels des Magens. Die Nahrung passiert diese Engstelle nur langsam. Damit ist die Nahrungsmenge, die aufgenommen werden kann, bevor das Sättigungsgefühl einsetzt, auf das Volumen des oberen Magendrittels begrenzt.

Das Magenband kann prinzipiell unbegrenzt im Körper bleiben. Wird es entfernt, kommt es mitunter zur erneuten Gewichtszunahme. Da das gesamte Magenvolumen trotzdem weiterhin zur Verfügung steht, gibt es bei dieser Methode keine Probleme bei der Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen.

Das Leben mit dem Magenband erzwingt eine kompromisslose Änderung des Essverhaltens. Größere aufgenommene Nahrungsportionen führen unweigerlich zu Übelkeit und Erbrechen. Wer trotzdem regelmäßig zu viel isst, riskiert eine Ausdehnung der Speiseröhre, die das Magenband langsam wirkungslos macht. Komplikationen im Zusammenhang mit dem Magenband können Verrutschen oder Einwachsen des Bandes in die Magenwand sein. Beides macht eine erneute Operation erforderlich. Das Magenband ist momentan in Deutschland die häufigste Form der chirurgischen Adipositas-Therapie. Der Eingriff kann prinzipiell auch bei Risikopatienten erfolgen.

3. Der Schlauchmagen

Bei der ebenfalls minimal invasiven Schlauchmagen-Operation wird die gesamte Ausstülpung des Magens operativ entfernt. Übrig bleibt ein schlauchförmiger Restmagen mit einem Volumen von etwa 90 ml. Auch beim Schlauchmagen stellt sich das Sättigungsgefühl bereits nach Aufnahme kleinster Nahrungsmengen ein.

Potenziell problematisch ist hier der irreversible Verlust eines Teils des Magens. Mangelernährungszuständen muss nach der Operation durch Zufuhr von Vitamin- und Mineralstoffpräparaten vorgebeugt werden. Vorteil der Methode gegenüber dem Magenbypass ist, dass der Darm nicht umgeleitet werden muss. Der Eingriff kann auch für Risikopatienten geeignet sein und ist für Personen mit Darmerkrankungen dem Magenbypass vorzuziehen.

4. Der Magenbypass

Der Magenbypass ist eine der komplizierteren Methoden der Adipositas-Chirurgie. Hier werden, wie der Name schon sagt, der Magen und der oberste Teil des Dünndarms umgangen. Ein kleiner Restmagen von etwa 15 ml Fassungsvermögen wird vollständig vom Magen abgetrennt und mit einem neuen Ausgang versehen. Dazu wird eine Schlinge des ebenfalls durchtrennten Dünndarms umgeleitet. So können nur geringe Nahrungsmengen aufgenommen werden, bis sich das Sättigungsgefühl einstellt. Der andere Teil des Magens kommt mit keinerlei Nahrung mehr in Berührung, produziert aber nach wie vor die Verdauungssekrete. Diese passieren den ursprünglichen Magenausgang und den nun inaktiven oberen Dünndarmabschnitt, der erst in tieferen Regionen wieder mit dem Nahrungsbrei führenden Darm verbunden wird. Erst ab dort kann die Verdauung stattfinden. Da nun weniger Darmvolumen für die Verdauung zur Verfügung steht, kommt es zu einem gewollt unvollständigen Aufschluss der Nahrung, die so weniger Nährstoffe an den Körper liefert (Malabsorption).

Aufgrund der beabsichtigten Malabsorption ist beim Magenbypass das Risiko von Mangelzuständen erhöht – essenzielle Vitalstoffe und Aminosäuren müssen lebenslang als Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden. Weitere unschöne Begleiterscheinungen sind das gefürchtete Dumping-Syndrom, bei dem sich der gesamte Mageninhalt praktisch unverdaut in den Dünndarm entleert und dort zu Komplikationen führt, oder besonders übel riechende Fettstühle. Beides lässt sich allerdings durch strenge Befolgung der Ernährungsvorgaben weitgehend vermeiden.

Bei dieser Methode wird sich bei den Betroffenen wohl eher ein Lerneffekt einstellen, was eine gesündere Ernährung betrifft, als beispielsweise beim Magenballon oder Magenband, wo weiterhin fettiges und ungesundes Essen ohne größere Nebenwirkungen aufgenommen werden kann. Jeder Körper reagiert anders, sodass der eine mehr und der andere weniger mit Dumping-Anfällen zu kämpfen hat. Zu der lebenslangen Einnahme von Mineralstoffen müssen ebenso regelmäßig Vitamin B12 Spritzen gesetzt werden. Zudem ist innerhalb der ersten drei Monate aufgrund der geringeren Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen mit vermehrten Haarausfall zu rechnen, der mit der Zeit aber nachlässt. Die aufwendige Magenbypass-Operation bewirkt wahrscheinlich die rascheste Gewichtsabnahme unter den Methoden der Adipositas-Chirurgie, ist aber wegen der erforderlichen Vollnarkose nicht für Hochrisikopatienten geeignet.

5. Der Magen-Schrittmacher (Magen Chip)

Eine neue Behandlungsmethode für Übergewicht, bei der in einer minimal invasiven Prozedur ein Miniaturcomputer implantiert wird, macht seit 2011 von sich reden. Der sogenannte Magen-Schrittmacher oder Magen-Chip ist mit einer in die Magenwand implantierten Kombination aus Nahrungssensor und Stimulationselektrode verbunden. Der Sensor erkennt, wenn Nahrung aufgenommen wird, und veranlasst den Magenschrittmacher zum Aussenden schwacher elektrischer Impulse über die Stimulationselektrode. Die Stimulation der Magenwand fördert das Sättigungsgefühl und kontrolliert so den Appetit. Der Magen-Chip erfasst kontinuierlich die aufgenommene Nahrung und registriert zudem Bewegung und Inaktivität. Diese Informationen können per drahtloser Übertragung vom Patienten und vom behandelnden Arzt eingesehen werden. So lassen sich Ess- und Bewegungsverhalten ungeschönt beurteilen, Muster und Probleme identifizieren.

Der Magenschrittmacher setzt auf Information. Er greift nicht in die Anatomie des Verdauungssystems ein und beeinflusst nicht oder kaum, welche und wie viel Nahrung Patienten zu sich nehmen. Es können Gewichtsverluste von maximal 30% erwartet werden – damit ist der Magenschrittmacher zur Behandlung extremen Übergewichts eher keine geeignete Option.

Für wen eine Magen OP in Frage kommt

Ärzte ziehen ab einem Body Mass Index (BMI) von 40 kg/m² die chirurgische Therapie in Betracht, sofern konservative Behandlungsmethoden langfristig erfolglos geblieben sind. Leiden die Patienten zusätzlich unter Folgeerkrankungen, kommt der Eingriff bereits ab einem BMI von 35 kg/m² infrage. Die Methoden der Adipositas-Chirurgie schaffen die Grundlage für eine effektive und langfristige Gewichtsreduktion. Notwendig ist aber nach wie vor eine konsequente Umstellung der Lebens- und Essgewohnheiten hin zu mehr Bewegung und gesunder Ernährung. Patienten benötigen zudem lebenslange Nachbetreuung.

Adipositas-Kompetenzzentren gibt es mittlerweile an vielen großen Krankenhäusern, beispielsweise am Krankenhaus Sachsenhausen in Frankfurt, an der Charité Berlin, an der Klinik München Bogenhausen, in Köln, Dresden und Düsseldorf. Die Zentren kooperieren mit mehreren Klinikabteilungen und bieten so meist das gesamte Spektrum der konservativen und chirurgischen Adipositas-Therapien sowie medizinische und gynäkologische Rundumbetreuung an. Einige Zentren, wie etwa das in München, haben zudem auch plastische und ästhetische Chirurgie im Angebot.

Magen OP und die Frage der Finanzierung

Eine Magen OP ist eine kostspielige Angelegenheit. Die Kosten bewegen sich zwischen 8.000 und 18.000 Euro. Die Finanzierung der operativen Adipositas-Therapie gehört bis heute nicht zum Regelleistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland, kann jedoch individuell beantragt werden. Zum Antrag gehören neben der Darstellung der Indikation der Maßnahme auch der Nachweis einer 6- bis 12-monatigen Therapie nach dem sogenannten multimodalen Konzept (Psychotherapie, innere Medizin, Bewegungstherapie und Ernährungsberatung). In den einzelnen Bundesländern wird über diese Anträge teilweise recht unterschiedlich entschieden, Ablehnungen sind leider nicht selten. Wer eine Ablehnung erhält sollte sich jedoch nicht entmutigen lassen und in Widerspruch gehen. Durchhaltevermögen lohnt sich nicht nur bei einer gesünderen Lebensweise, sondern auch beim Kampf um die Kostenübernahme.

Bild:© DOC RABE Media – Fotolia.com

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